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10 Tage Norwegen - Zeit zur Integration



Ich sitze mal wieder im Café, an meinem Lieblingsort. Ich bin immer noch in Norwegen und hatte das Gefühl, mal nach einer guten Woche berichten zu wollen. Es ist so viel passiert und die innerliche Veränderung ist in vollem Gange.


Ich bin vor guten 1,5 Wochen nach Norwegen aufgebrochen. Das Ziel meiner Reise war, einfach das zu machen auf was ich Lust habe, in die Natur einzutauchen und meiner Kreativität den vollen Raum zu geben. Ich wollte einfach wissen, was passiert. Ich wollte mir auch Erfahrungen schenken, von denen ich wusste, dass sie mich an meine Grenzen bringen könnten. Der Beginn der Reise war sehr aufregend. Innerhalb von wenigen Tagen knappe tausend Kilometer fahren, täglich die Orte wechseln und in einer anderen Umgebung aufwachen. Täglich neue Menschen kennenlernen und sich auf die neuen Umstände einstellen. Dazu gehört es auch, Tankstellen zu finden, Supermärkte zu suchen oder auch jeden Tag neue Schlafplätze. Meine Reise war nicht geplant und daher jeden Tag aufs neue aufregend.


In Norwegen angekommen, habe ich erstmal ein paar Tage gebraucht, um mich an das andere Klima, das neue Land zu gewöhnen. Ich bin wie ein Chamäleon, das sich schnell in neue Umgebungen einfinden kann, aber ich brauche dazu doch mindestens einen Tag und ein paar weitere Tage, um die Umgebung zu erkunden und so richtig anzukommen. Damit kam auch die kreative Energie und alle die neuen Impulse wollten verarbeitet werden. Dazu hat es mich gereizt in der Hängematte unter dem Sternenhimmel zu schlafen und mit einem Blick auf die Berge und den See aufzuwachen. Eine aufregende Erfahrung, die ich gleich in meiner zweiten Nacht umgesetzt habe.

Dann hat es mich nach vier Nächten weiter gezogen. Ich wollte weiter in den Norden und das wunderschöne Land erkunden, in dem ich nun war. Ich bin weitergefahren und in eine beeindruckende Moorlandschaft gekommen. Anstatt wie geplant zu einem Campingplatz weiter im Norden zu fahren, habe ich beschlossen in der freien Natur zu schlafen. Das erste Mal alleine, kein Mensch weit und breit und dazu noch eine aufziehende Regenfront. Ich habe es mir gemütlich gemacht und mich so wohl an diesem Ort gefühlt, so dass ich am liebsten länger geblieben wäre. In meiner Nacht im Auto wurde ich mit Ängsten konfrontiert. Ich habe die dunkelste Nacht in meinem Leben erlebt, dazu die Geräusche des bei Regen tosenden Flusses neben mir und intensive Träume. Ich hatte nur mich und den Schutz durch mein Auto.


Da mit dem Regen auch ein Kälteeinbruch verbunden war, ging es für mich weiter in Richtung Norden. Ich wollte jetzt ins Trockene und Warme und hatte auch Lust auf Menschen und etwas mehr Komfort nach einer Woche im Zelt bei Wind und Wetter. Ich bin zu einer großen Wanderhütte gefahren und habe mir ein Bett in einem Mehrbettzimmer gebucht. Ich war froh, einfach Zeit in der warmen Stube verbringen zu können und habe die ausgiebigen Gespräche mit den Norwegern genossen. Gleichzeitig war ich so unglaublich erschöpft und durchgefroren und hatte das Gefühl, krank zu werden. Ich war nicht mehr in meiner Kraft. Ich wollte nur schlafen, meine Ruhe und Wärme. Ich habe die Sauna und auch die Hot Tub genossen. Ständig war ich hin- und hergerissen, weiterzufahren oder doch noch zu bleiben. Ich habe mich dann dazu entschieden, ein paar Nächte dort zu verbringen und meinem Körper die Pause zu gönnen, nach der er sich gesehnt hat.

Zu dem Zeitpunkt habe ich noch nicht realisiert, was denn los ist. Ich dachte, ich hätte mich erkältet. Es ging dann weiter in Richtung Norden, an das Ende des größten Fjordes in Norwegen. Trotz Regen wollte ich weiter hoch. Ich habe mir dann eine feste Unterkunft gesucht, um noch weiter in meine Kraft kommen zu können. Jetzt bin ich in Lærdalsøyri und sitze in einem hübschen Cafe. Ich wollte meine Gedanken sortieren, fühle mich aber so müde. Die Kreativität will gerade einfach nicht und ich merke, dass ich es auch nicht erzwingen kann. Wenn es passt, dann fließt es einfach nur so aus mir heraus. Dann kam vorhin eine Kellnerin auf mich zu und wir haben ein spannendes Gespräch geführt. Sie hat sofort verstanden, wo ich stehe und umso mehr ich darüber nachdenke, umso klarer wird es.

Ich habe die letzten 1,5 Wochen so viel gesehen und erlebt, mich täglich auf neue Umstände eingestellt. Ich habe zuletzt eine Temperaturdifferenz von mehr als 25°C im Vergleich zu Zuhause gehabt. Ich habe jeden Tag im Zelt geschlafen und meinen Alltag draußen bei Wind und Wetter verbracht. Mein Körper braucht nun Zeit, um das alles zu verarbeiten. Ich habe meine Grenzen gepusht und habe eine sehr mutige, freie Version von mir gelebt und ein komplett anderes Leben: kein fester Wohnsitz, leben aus dem Kofferraum, immer die gleiche Kleidung an, dem Wetter ausgesetzt. Jetzt ist es Zeit, alles sacken zu lassen. Der Körper will Freiraum und innerlich alles sortieren. Er will noch keine Impulse zu neuen kreativen Projekten verarbeiten und er will definitiv keine neuen Impulse haben. Und hier ertappe ich mich selbst, dass ich mich schwer tue, das zu akzeptieren und im Widerstand damit bin. Ich habe das Gefühl, all die Fotos verarbeiten zu wollen, auf der Reise neues zu kreieren und das mit der Angst verbunden, das Gefühl und die Erinnerung geht verloren, wenn ich es nicht jetzt mache. Ich befinde mich inmitten eines Neusortierungsprozesses.

Die Kellnerin hat mir zugehört und mich gefragt, ob ich Künstlerin sei. Kreative Seelen finden sich und das schönste, sie verstehen sich auch ohne Worte. Ich musste nicht viel erzählen und sie kannte dem Prozess selbst nur zu gut. Sie hat mich gefragt, was ich denn in solchen Situationen normalerweise machen würde? Und ich habe gemerkt, dass ich keine richtige Antwort darauf hatte. Mir ist aufgefallen, dass ich diese Situation auf Reisen schon öfters erlebt habe, wenn es sehr intensiv wurde. Ihre Antwort war: „Let it go!“. Es geht darum, jetzt in diesem Moment in die Annahme zu gehen, nichts erzwingen zu wollen und mich dem Prozess voll hinzugeben. Mein Körper weiß genau, was er jetzt will: Nichts! Er will einfach Ruhe und Erholung. Oft übergehen wir uns selbst und scheuen uns davor hinzufühlen. Ich realisiere jetzt, dass alles in bester Ordnung ist und die Situation zeigt, dass meine Reise einen riesen Unterschied macht. Es geht jetzt so richtig tief und meine Erfahrungen, mein gewachsenes Ich darf nun in jeder Zelle verankert werden. Alles möchte integriert werden. Und danach wartet eine weiterentwickelte Version von mir selbst auf mich. Alles, was ich zu tun habe ist, loszulassen und mich hinzugeben.

Ich wollte dich an diesem Prozess teilhaben lassen, da ich das Gefühl habe, dass wir oft garnicht realisieren, was mit uns passiert und wie wichtig auch diese Phasen sind. In diesen Zeiten passiert das Wachstum. Und das Ergebnis ist eine stärkere und klarere Version von dir selbst. Lass’ dich davon nicht irritieren. Nimm’ es an und lasse dich überraschen, was sich verändert. Und in dieser neuen Energie warten noch mehr Dinge auf dich, die noch besser zu dir passen! Wenn wir wissen, was passiert, dann können wir den Prozess sogar noch unterstützen. Alles geschieht für dich!


Ich schicke dir ganz liebe Grüße aus Norwegen!

Kennst du diese Phasen? Wie gehst du damit um? Versuchst du die Dinge dann zu erzwingen? Traust du dich hinzufügen oder übergehst du dich selbst? Was würde dir in diesen Phasen am besten tun? Wie geht es dir nach dieser Phase? Zu welchem Mensch bist du danach geworden?


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