Ich sage guten Morgen. Ich bin heute früh mit einem Gedanken zu einem neuen Blogpost aufgewacht, der jetzt auf das "Papier" muss. Und da wären wir schon fast bei dem Thema, denn ich schreibe natürlich nicht auf echtem Papier, sondern tippe auf einer Tastatur in meinen Computer. Und alles was ich schreibe besteht in Realität nur aus 0ern und 1ern, so funktioniert unsere Technik nunmal. Ist das jetzt eigentlich real, oder nur ein digitales Erzeugnis, das ich jederzeit wieder löschen kann und von dem dann nichts bleibt?
Wir verbringen inzwischen einen Großteil unserer Zeit in einer digitalen Welt: Wir sind am Handy, Computer, Fernsehen. Wir treffen dort unsere Freunde, pflegen Kontakte zur Familie und lernen sogar oft unseren Partner digital kennen. Das hat alle seine Vor- und Nachteile. Als ich damals für ein halbes Jahr in Kopenhagen gelebt habe, war ich glücklich, dass ich über Skype Kontakt nach Hause halten konnte. Und auch wenn das Telefonieren damals noch teurer war, konnte ich ab und zu auch anrufen, wenn mir danach war. Heute ist das alles noch viel leichter geworden. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass die Grenze zwischen real und digital komplett verschwimmt. Welche "digitalen" Freundschaften sind denn noch echt? Wer davon ist wirklich an dir interessiert und für dich da?
Und auch unser Alltag ist inzwischen ein stückweit künstlich geworden: Wir verbringen den meisten Teil vor dem Computer in einer sitzenden Position. Schulter und Nacken werden verspannt, die Sehne im Handgelenk tut mit der Zeit vom vielen Klicken weh, der Rücken beschwert sich über zu wenig Bewegung, wir setzen Fett an Stellen an, wo wir früher nie was hatten. Wir werden träge. Das einzige was ständig in Bewegung zu sein scheint, und das mehr als je zuvor, ist unser Kopf. Wenn ich darüber nachdenke wie viele Emails ich inzwischen jeden Tag bekomme, in der Arbeit oder auch Privat. Ich komme nicht mehr hinterher, muss funktionieren und es kann sich schnell überwältigend anfühlen. Es entsteht ein Drang oder auch die Erwartung, das alles schaffen zu müssen. Wir sind nur noch damit beschäftigt, unseren Alltag zu managen: die Nachrichten in Social Media, per Email, WhatsApp etc. Was davon braucht es denn wirklich? Und eine noch wesentlichere Frage: Bereichert das dein Leben oder Arbeitsalltag? Und macht es dich glücklich?
Ich kann mich noch daran erinnern, als ich damals mit vielleicht 15 von meinem Taschengeld mein erstes Handy gekauft habe: Ein Nokia 3210. Ich war total happy und stolz und es war ein cooles Gefühl, dass ich Abends noch im Bett (heimlich) mit einer Freundin SMS schreiben konnte. Den Suchtfaktor habe ich schon da gemerkt. Dann ging die "Snake"-Phase los, ein kleines Spiel auf dem Handy, in dem man eine Schlange, besser gesagt eine schwarze Linie, vor der Kollision bewahren musste. Wir alle sind im Bus über dem Handy gehangen und haben versucht Rekorde zu brechen. Und zu der Zeit zogen auch die Computer mehr und mehr in die Kinderzimmer ein. Ich weiß noch, dass ich damals bewusst keinen Computer wollte, da ich gefürchtet habe, meine Kreativität könnte darunter leiden - zurecht. Ich habe schon gespürt, dass der Computer seine volle Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde und mich von einfacheren Dingen, wie Lesen, Malen, mit meinem Haustier spielen ablenken könnte. Denn oft sind in der Langeweile die tollsten Dinge entstanden. Für Kreativität braucht es eben Raum und sie entsteht nicht aus einem vollem Kopf. Ab dem Studium war es dann nicht mehr vermeidbar einen eigenen Computer zu haben und ich war auch happy darüber, sonst wäre ich vermutlich in meinem Mini-Wohnheimzimmer ohne Chatten eingegangen. Wer kennt noch ICQ und studivz? ;-)
Wir sind inzwischen so darauf konditioniert uns jeden Tag mit Technik zu beschäftigen, so dass ein Leben ohne kaum noch vorstellbar ist. Die Technik bringt dabei eine höhere Geschwindigkeit mit und lässt unseren Kopf ruhelos werden, da wir unglaublich viele Daten verarbeiten müssen, mehr als wir eigentlich können. Meistens sogar zu Dingen, die uns überhaupt nicht betreffen oder gut tut. Wir konsumieren alles freiwillig und das stundenlang. Und das hat große Auswirkungen: neben den genannten körperlichen Anspannungssymptomen, fühlen wir uns ruhelos und wir verlieren den Fokus für das was uns wichtig ist. Wir verlieren das Gefühl für uns selbst und den Kontakt zu unserem Herzen, da wir ja dauernd in den Kopf flüchten und uns passiv berieseln lassen.
Auf Social Media ist inzwischen ein Run auf das tollste Foto, das tollste Reel und tollste Leben entstanden. Wir vergleichen uns jeden Tag und kämpfen um mehr Aufmerksamkeit und vielleicht sogar Bestätigng von Außen. Wir retouchieren unsere Gesichter, weil wir uns nicht schön genug fühlen und Angst vor Kommentaren haben, setzen uns ins schönere Kulissen und tun so, als wenn wir jeden Tag nur die tollsten Dinge erleben würden.
Und dann gibt es da noch eine andere Bewegung: immer mehr Menschen wenden sich der "spirituellen Szene" zu, suchen nach ihrer Herzensmission, wollen etwas Gutes beitragen, zurück zu sich selbst finden und steigen aus dem "System" aus. Ich spreche hier von den Themen Van-Life, Freelancer auf Bali, Vollzeitreiseblogger usw. (und meine das nicht abwertend). Seit wir jetzt ein paar Jahre stark eingeschränkt waren, haben wir wieder mehr den Drang heraus in die Natur zu fahren, Campingbusse oder Tiny Houses zu mieten und das einfachere Leben auszuprobieren. Wir sehnen uns nach innerer Ruhe, Klarheit und auch Verbundenheit mit der Welt - eben dem, was uns verloren gegangen ist. Es ist heute so leicht geworden sich darin zu verirren. Auch ich merke, dass es inzwischen einfach alles zu viel und zu komplex geworden ist und die Einflüsse von Außen Überhand nehmen.
Ich habe in den letzten Jahren, angefangen während der Pandemie, täglich Spaziergänge zu machen. Früher fand ich das total langweilig und bin lieber Joggen gegangen. Heute merke ich, wie gut es tut, mich langsam durch die Natur zu bewegen, den Körper in Schwung zu bringen und mir genügend Zeit zu geben, meine Umgebung wahrzunehmen, in mich hineinzuspüren, wie es mir geht und was ich gerade brauche. Joggen kann da wieder ablenken, da du dein System zu Leistungen pushst. Und seitdem ich wieder so einen engen Kontakt mit Draußen aufgebaut habe, zieht es mich immer mehr in die Natur raus, so wie schon als Kind. Inzwischen sind aus kleinen Spaziergängen Touren geworden mit Übernachtungen im Zelt und vielleicht bald auch schon auf Hütten. Ich suche die wilden, unberührten Orte an denen ich alleine sein kann, wie die Berge, Skandinavien, Bali. Ich aktiviere meine Körper durch wandern, surfen, Sup-Fahren (und Aufpumpen ;-) usw. Mich erdet das ungemein. Und selbst da fällt es mir schwer, das Handy komplett wegzulegen und die digitale Welt einfach mal sein zu lassen. Dafür bin ich wiederum zu sozial und teile zu gerne meine Freude und Erlebnisse mit dir.
Ich glaube nicht, dass man sich von der digitalen Welt komplett abwenden muss, um in Balance zu kommen, aber man darf für sich das richtige Maß finden. Die Natur ist wie ein Katalysator, der dich zu dir zu zurück bringt mit allem was dazu gehört. Du wirst erkennen, was dir wichtig ist, was dir gut tut und was du in deinem Leben haben möchtest und was auch nicht. So sind bei mir auch dieser Blog und die Fotos entstanden. Ich hatte den Wunsch meine Gedanken zu teilen und Momente festzuhalten. Ich nutze Social Media am meisten, um meine Kreationen mit anderen zu teilen und so einen Mehrwert zu stiften und versuche selbst, den Konsum in Grenzen zu halten. Das gelingt mir mal besser und mal schlechter. Wir können uns selbst die Frage stellen, was uns gut tut und was eben nicht und so in kleinen Schritten einen Weg finden, unser Leben mit weniger Stress und mehr Verbundenheit zu uns selbst zu führen.
Tipp: Und noch ein kleiner Tipp am Ende des Posts. Wenn es dich interessiert, dann kannst du mit bestimmten Apps (Technik, ich weiß ;-)) deine täglichen Gewohnheiten aufzeichnen und so sehen, wohin deine Aufmerksamkeit den ganzen Tag fließt. Ich habe das vor einigen Jahren mit einer Art Zeiterfassung mal für eine Woche lang gemacht und es hat mir sehr dabei geholfen, zu sehen, womit ich meine Zeit verbringe und dazu gewisse Entscheidungen zu treffen.
Wie verbringst du deine Zeit? Wieviel Social Media konsumierst du? Wie fühlst du dich dabei? Tut es dir gut oder tut es dir nicht gut? Was ist dir dabei wichtig und warum tust du es? Wie kannst du dich mehr darauf konsumieren, was dir wichtig ist? Wie kannst du den Konsum einschränken? Bei welchen Aktivitäten spürst du dich selbst am meisten? Wie kannst du sie noch mehr in dein Leben holen? Wie würde sich dadurch dein Lebensgefühl ändern?
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